Das Verhältnis des Menschen zum Raben war immer äußerst zwiespältig
- und ist es bis heute. In vorchristlicher Zeit war ihr Image
wesentlich besser. In der Antike wurden sie oft als göttliche Vögel
verehrt und man sagte ihnen magische Kräfte nach. Während die Tiere in
der indianischen Kultur Nordwest-Amerikas immer noch hoch angesehen
sind, änderte sich das in den abendländischen Kulturen mit dem Aufkommen
des Christentums drastisch. Aber auch im jüdischen Glauben galten Raben
schon im Alten Testament als "unrein“. Zahlreiche Künstler, von Wilhelm
Busch bis Alfred Hitchcock, haben sich vom geheimnisvollen Wesen der
schwarzen Vögel inspirieren lassen. Letzterer hatte 1963
mit dem Film "Die Vögel" einen Riesenerfolg, setzte aber auch auf das
miserable Ansehen der geächteten Flugkünstler, indem er sie Menschen
angreifen ließ.
Der germanische Gott Odin (Wotan), Gott der Weisheit, der Magie und Heilzauber,
kann sich in einen Raben verwandeln. Außerdem führt er
immer "Munin" und "Hugin" (Erinnerung und Gedanke) mit sich, zwei Raben, die er jeden Tag
ausschickt um zu erfahren, was in der Welt Wichtiges geschieht. Odin war
der höchste Gott der Germanen und deshalb waren ihnen die Raben heilig -
sie verehrten sie als Göttervögel. Im Vorfeld einer Schlacht galten der
Flug und das Verhalten der Tiere als Omen für den Ausgang der
kriegerischen Auseinandersetzung. Ein Glaube, der auch schon bei den
Babyloniern und im antiken Griechenland eine wichtige Rolle spielte.
Im alten Rom befragten die Auguren, ein sechzehnköpfiges Gremium
römischer Beamter, das Vogelorakel, um zu erfahren, ob ein geplantes
Handeln den Göttern genehm sei. Je nach dem, aus welcher Richtung ein
Rabe einen von den Auguren abgegrenzten Bereich durchflog, bedeutete das
Unheil oder Segen. Kam er von links, war es ein schlechtes Zeichen, von
rechts bedeutete eine günstige Konstellation. Flog gar ein Paar in den
"Augural-Bezirk", galt dies als besonders positiv. Herrscher und
Heerführer ließen sich von Rabenvögeln weissagen, ob sie mit ihrem
Handeln in die Katastrophe steuerten oder nicht. Auch aus asiatischen
Kulturen sind Krähenorakel überliefert und schon Aristoteles vermutete,
dass die Vögel nicht nur über Instinkt, sondern auch über eine feine
Intelligenz verfügten und ihr Handeln danach ausrichteten.
Das schlechte Image von Rabenvögeln rührt vor allem von ihrer Neigung
her, Aas zu fressen. Dabei unterscheiden sie naturgemäß nicht zwischen
Mensch und Tier. Nach einer Schlacht mit vielen Toten war der Tisch
natürlich reich gedeckt. Auch war es nicht weiter verwunderlich, dass
sie sich am Fleisch gehängter Zeitgenossen gütlich taten, was ihnen das
geflügelte Wort vom "Galgenvogel" eingetragen hat. Mit dem Aufkommen des
Christentums und dem Rückgang der Naturreligionen veränderte sich das
Ansehen der Vögel stark. Das Auftauchen großer Schwärme galt bald als
Vorbote von Tod, Unheil und Pestilenz. Die Welt der Tiere wurde in zwei
Gruppen eingeteilt: in dem Menschen nützliche Kreaturen und jene, die
ihm schadeten. Schnell zählten Rabenvögel zu den Schädlingen. Im
Mittelalter galten sie als Begleiter von Hexen. Der Aberglaube war so
stark, dass ein Mensch schon als Hexe(r) verteufelt wurde, wenn ihm eine
Krähe zu nahe gekommen war. Noch schlimmer traf es die Elster, die gar
als verwandelte Hexe angesehen wurde. Zur Abwehr von Unheil wurde es
Brauch, tote Elstern oder Krähen an die Haustür zu nageln.
Vieles, was den Rabenvögeln in unserer heutigen Kultur sprichwörtlich
anhaftet, hält sich hartnäckig in der Volksmeinung - und das, obwohl die
meisten Eigenschaften angedichtet sind und keinerlei biologische
Grundlage oder Bedeutung besitzen. Der Begriff "Rabeneltern" zum
Beispiel fußt auf einer Vorstellung aus dem Altertum, Raben würden ihre
Jungen verhungern lassen und sie sogar aus dem Nest werfen. Das
Gegenteil ist der Fall. Rabeneltern sind besonders fürsorglich, sie
füttern ihren Nachwuchs auch noch, wenn dieser längst flügge geworden
ist. Gerne sprechen wir von einem "rabenschwarzen Tag", wenn alles
schiefgegangen ist, was nur schiefgehen konnte. Dieser Gedanke rührt
wohl noch aus der biblischen Legende, Raben hätten nur deshalb keine
Farben in ihrem Gefieder, weil ihnen ein sündhaftes Wesen eigen sei, sie
extrem unzuverlässig und deshalb vom Archeerbauer Noah verflucht worden
seien. Seither müssten sie zur Strafe Schwarz tragen. Die Palette der
Negativbilder reicht vom Kinderlied "Hoppe Hoppe Reiter" ("...fällt er
in den Graben, fressen ihn die Raben") bis zum "Unglücksraben". Ganz
anders das Bild bei den nordwestamerikanischen Indianerstämmen. Dort
genießen Raben bis heute hohes Ansehen und Prestige. Sie gelten als
gottgleiche Gestalten, die den Lebensraum Erde für Mensch und Tier
erschlossen hätten. Den übernatürlichen Kräften der Raben sei es zu
verdanken, dass Berge, Flüsse und Seen ihren Platz gefunden hätten, und
die Tiere sollen selbst Sonne, Mond und Sterne ans Firmament gehängt
haben.
Text teilweise: www.planet-wissen.de
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