Dienstag, 7. April 2009

Jugendamt entwaffnet Ritter

Dortmund. Eigentlich wollten sie nur mit Schaumstoffschwertern aufeinander losgehen, ein bisschen ums Lagerfeuer sitzen, natürlich in mittelalterlicher Kleidung, als Teilzeit-Ritter und -Burgfräulein. Doch das Dortmunder Jugendamt hat den Ferienspaß untersagt, "Gewaltprävention" ist das Stichwort.

Das Jugendamt in Dortmund hat am Donnerstag ein mittelalterliches Spektakel abgesagt, das in der ersten Osterferienwoche in der Jugendfreizeitstätte Hombruch laufen sollte. „Nach dem Amoklauf von Winnenden”, so Fachbereichsleiterin Elisabeth Hoppe, „muss das Konzept noch einmal auf den Prüfstand”.„Tremonias Erben III” stand ursprünglich auf dem Spielplan.
Alternative zu Handy und Computer

In den Osterferien 2008 schlug die Geburtsstunde von "Tremonias Erben". Damals fand das erste Ritter-Rollenspiel in der Jugendfreizeitstätte Hombruch statt. Es wurde ein großer Erfolg.
Kinder von sieben bis zwölf Jahren sollten Handy, MP3-Player und Gameboy zu Hause lassen und in die Welt des Mittelalters eintauchen. Ein buntes Treiben in altertümlichen Gewändern war geplant, ein so genanntes LARP. Das Kürzel steht für „Live Adventure Role Play”. Bei solchen Rollenspielen versetzen sich die Teilnehmer in Fantasiegestalten und tauchen ein in eine Abenteuerwelt.
„Weg vom Computer, raus in die Natur”, hieß in Hombruch die Devise. Pädagogische Ziele: die Entwicklung von Kreativität und Gemeinschaftssinn. Stilecht – mit edlen Rittern, fiesen Schurken, Magiern, Waldwesen und schönen Prinzessinnen. Ein Hauch von König Artus: Rustikales Lagerfeuer-Ambiente, samt Bogenschießen und Schwertkampf, letzterer mit Schaumstoffwaffen.

"Gewaltprävention"
Genau diese Einlagen sind dem Jugendamt nicht geheuer. Die Folge: „'Tremonias Erben' liegen auf Eis”, so Elisabeth Hoppe. Ihre Bedenken gehen „in Richtung Gewaltprävention”. Das Konzept müsse überarbeitet werden. „Den Schwertkampf müssen wir noch mal unter die Lupe nehmen.”

Das Rollenspiel habe einige Facetten: „kämpfen, kochen, leben und feiern”. Die entscheidende Frage: „Zeigt die Aktion das Mittelalter so, wie es war?” Nein, glaubt das Jugendamt.
Erfolgreiche Vorläufer-Aktionen
„Tremonias Erben” trauern. Bereits in den Oster- und Herbstferien 2008 hatten sie die JFS bevölkert. Rund 70 Kinder nahmen an den ersten beiden Auflagen des Spektakels teil. Seit Monaten liefen die Vorbereitungen für Teil III. Gewänder wurden selbst geschneidert, Wappen gemalt, Werkzeuge gefertigt, Waffen gebastelt.
JFS-Leiter Roland Holze hätte den mittelalterlichen Clan angeführt – in der Rolle des Ritters „Roan Mondragon”. Der war am Donnerstag nicht zu sprechen. „Kein Kommentar”, ließ er ausrichten und verwies ans Jugendamt.
Unterschriftensammlung geplant
Das schaltete Mittags die Internetpräsentation des Spiels ab. Die Betroffenen sind geschockt. Abends trafen sich Tremonias kalt gestellte Erben vor der JFS. Eine Unterschriftensammlung soll organisiert werden. Im Internet hagelte es Kritik an der Absage.



Quelle: http://www.derwesten.de 02.04.2009, von Klaus Brandt

3 Kommentare:

  1. Da ich selber auch LARPerin bin kann ich das überhaupt nicht nachvollziehen. Ritter oder Indianer sind doch uralte Kinderspiele und es wäre gut, wenn die Kinder heute ein wenig mehr solche Sachen spielen würden. Dann könnten sie sich richtig austoben zusammen mit Anderen. Anstatt allein vor dem Computer zu hocken.

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  2. Die ganze Angelegenheit ist doch ein schlechter Witz... Wenn man das Mittelalter darstellen wollte, wie es tatsächlich war, dann müsste man sich Pestflecken aufpinseln, brandschatzend durch Hombruch ziehen und Jungfrauen schänden.
    Es geht hier darum die Fantasie der Kinder anzuregen und sie zum Spielen in der Natur zu animieren. Dass die Aktion gestoppt wurde rührt nur mehr von der Unkenntnis und Pseudo-Fürsorge des Jugendamtes.

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  3. Ich zitiere dazu mal Raisclin von Rabenschrey:

    " Operative Hektik ersetzt geistige Windstille !
    Die "Politik" muss mal wieder Präsenz und Aktion zeigen, da an anderen Stellen - und hier meine ich nicht nur die Politik, sondern auch die Schule, die Familie und im Grunde die "Wellness-und-Spaß-Gesellschaft" an wesentlichen Stellen versagt !!"

    Das bringt die Sache Glaube ich klar rüber, wie es sich verhält. Einfach nur Traurig das ganze.

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